Eine 42,8 Kilometer lange Regatta auf dem Rhein; mit Strömung, Wellen, Wind und Wetter. Klingt nach Wahnsinn? Das ist es auch! Und trotzdem: Drei Astor*innen wagten es, am 1. Oktober 2022 mit zwei Kamerad*innen des Kölner Club für Wassersport in der „Kölle“ an den Start zu gehen.
Doch von vorn.
Nachdem uns zu Pfingsten unsere rudernden Freund*innen des KCfW besucht hatten, entstand nach und nach – mit Hilfe unseres auswärtigen Mitgliedes Christian, der inzwischen in Köln beim KCfW rudert und unserem Bootswart Helmut, seinerseits für immer “ ne kölsche Jung“ -die Idee, das Marathonrudern im Oktober auf dem Rhein auszuprobieren.
Ich trommelte eine Mannschaft zusammen, meldete und meldete wieder um – es war ein riesiges Hin und her. Leider schafften wir es nicht, eine Mannschaft nur mit Astor*innen zu stellen. Dafür stießen Isabelle und Kai vom KCfW zu Paul, Helmut und mir und retteten somit unsere Teilnahme an der Regatta. Durch diese Renngemeinschaft war ein gemeinsames Training vorher zwar nicht möglich, aber es sollte sich herausstellen, dass wir trotzdem wunderbar harmonierten.
Helmut, hochmotiviert wie kaum wann anders, fuhr bereits am Donnerstag vor dem Marathon nach Köln, um seine Heimatstadt noch etwas länger genießen und unser vom KCfW freundlicherweise geliehenes Boot abkleben und regattatauglich machen zu können. Am Freitagabend stießen Paul und ich dann dazu; sehr froh und dankbar, dass Helmut nicht nur in Sachen Bootspräparierung hervorragende Arbeit geleistet hatte, sondern auch ein riesiger Topf Nudelsoße bereits auf dem Herd stand.
Wie sich übrigens herausstellte, war der Titel „Bootshaus“ für den KCfW nur bedingt passend. Wie viele andere Rudervereine waren die Kamerad*innen des Kölner Club mitsamt ihrer Boote nicht auf einem Haus an Land untergebracht, sondern auf einem Boot, dass am Rheinufer lag. Wir könnten also von einem Bootshausboot reden.
Wir freuten uns über unsere mehrere riesigen Portionen Nudeln und wollten eigentlich nur schlafen gehen – das sahen die Gäst*innen der Hochzeit, die über uns auf dem Bootshausboot stattfand jedoch anders. Und so kam es, dass Helmut gar nicht, Paul und ich circa drei Stunden schlafen konnten. Beste Bedingungen für eine Marathonruderregatta!
Am Morgen des Renntages wurden wir herzlich von Christian mit frischen Brötchen versorgt. Ohne Kaffee – niemand wollte riskieren, während des Rennens auf die Toilette zu müssen -, aber wenigstens mit einem ordentlichen „Frühstück der Ruderer“, das dem Gemälde in unserem Heimatsbootshaus alt aussehen ließ, machten wir uns fertig. Isabelle und Kai, der Rest der Mannschaft, stießen auch noch dazu, und wir brachten die „Kölle“ ins Wasser. Nach einer kurzen Besprechung der letzten Details – beispielsweise der Aufteilung der Mannschaft (Helmut natürlich als Steuermann, Kai auf Schlag, Isabelle auf Übernahme, ich auf die zwei und Paul in den Bug), legten wir ab – und hatten, sehr zum Erstaunen der Rhein-unerfahrenen im Boot, keine vier Minuten später bereits einen Kilometer zurückgelegt. So ruderten wir weitere 12 Kilometer Richtung Norden zum Start der Regatta und hatten noch ein paar Minuten, um uns mental auf die bevorstehende Strecke vorzubereiten, ehe uns vom Ufer ein „Da ist der Start; ihr müsst jetzt rudern!“ zugebrüllt worden ist. Und tatsächlich waren wir in unserer kurzen Pause nicht unwesentlich weit in Richtung Start gestrieben, der sich jetzt auf der Steuerbordseite am Ufer knapp vor dem Bug der „Kölle“ befand. Und so brüllte Helmut „Alles voraus!“, und los ging es.
„Viel Spaß!“ rief uns das DLRG-Boot hundert Meter nach dem Start zu – und just in dieser Sekunde fing der Regen an. Anfangs noch leicht und aushaltbar, dann jedoch immer stärker, bis wir schließlich mehrere Kilometer durch Platzregen fahren mussten. Einige riesige Schubverbände, Touridampfer und Frachtschiffe fuhren an uns vorbei, brachte das Boot ordentlich zum Schaukeln und Schwanken, doch Helmut bewies, dass der Rhein für ihn als Steuermann kein fremdes Gewässer war und steuerte uns zuverlässig durch die widrigen Bedingungen. Irgendwann hörten wir vom Heck nur ein „Vor uns klart es auf!“ und alles, was mir selbst durch den Kopf ging, war ein „Gott sei Dank!“. Wir waren durchnässt bis auf die Knochen, und alles, was uns antrieb, war der Gedanke an eine warme Dusche, eine dampfende Tasse Tee und Kekse.
Helmut sollte Recht behalten. Ab Kilometer 23 klarte es tatsächlich auf. Der Großteil der verhängnisvoll über uns hinwegziehenden Wolken zog ab und die Sonne strahlte auf uns herab und trocknete allmählich wenigstens einen Teil dessen, was der Regen angestellt hatte. Mit der Sonne kehrte bei mir auch die Motivation wieder zurück – war diese doch zwischenzeitlich der Frage schlechthin gewichen, von der mir im Voraus berichtet worden war, dass sie früher oder späer aufkommen würde: „Warum tun wir das hier?!“
Wir ruderten und ruderten. Gerne hätte ich ab und an darüber philosophiert, an was für Umgebungen wir so vorbeiruderten, doch irgendwie hatte sich irgendwann im Platzregen mein Tunnelblick aktiviert; vermutlich ging es den anderen auch nicht besser.
Irgendwann tönte es von vorne: „Noch sechs Kilometer“, und ich war verwirrt. Wie konnte das denn sein? Wir waren doch gerade erst beim 26. Kilometer angelangt… Doch ich hinterfragte keine Rechnung von Helmut mehr; der Gedanke daran, dass es bald vorbei sein würde, war einer, der motivierte – es galt also, diesen festzuhalten.
Doch was wäre unsere erste Teilnahme am Rheinmarathon ohne einen fulminanten Abschluss – natürlich nicht ohne Gegenwind! Und so kämpften wir die finalen sechs Kilometer gegen den Wind, der uns – so berichtete Paul mir zwischendrin – so langsam gemacht hatte, dass wir für hundert Meter jetzt mindestens zehn Schläge brauchten; vorher waren es wohl sechs. Der Endspurt zog sich, aber wir schafften es tatsächlich, noch ein Boot zu überholen und ein weiteres doch noch abzuhängen, was uns zuvor recht nahe gekommen war.
Irgendwann war Musik hörbar und wir fuhren unter der letzten Brücke vor dem Ziel durch. „Noch zweihundert Meter!“, brüllte Helmut, und wir mobilisierten nochmal unsere letzten Kraftreserven, ehe wir durch das Ziel fuhren und das akustische Signal hörten, dass bestätigte, dass wir es geschafft hatten.
Die Beine brannten, die Luft war etwas knapp, der Durst groß, aber wir schafften es trotzdem, anzulegen, die „Kölle“ mit viel kamerad*innenschaftlicher Hilfe des RC Germania Düsseldorf aus dem Wasser zu befördern und zum Hänger zu schaffen. Abriggern, verladen, duschen – und dann ging es zur After row Party. Wir warteten darauf, dass das Ergebnis unseres Rennens ausgehangen wurde – wir wurden 11. von 16 -, ich holte unsere Teilnehmer*innenschirts und -medaillen ab und wir stürzten uns auf die Essensstände.
Nachdem wir einen schönen Nachmittag am RC Germania verbracht hatten, fuhren wir – den Hänger im Schlepptau – zurück zum KCfW, verluden die Boote und brachten es gerade noch fertig, das Abendessen vom Freitagabend zu strecken, zu essen und ins Bett zu gehen – dieses Mal mit Ohrstöpseln ausgestattet. Und diese erfüllten ihren Zweck wunderbar.
Am Sonntag reisten Paul und ich ab. Helmut besuchte seinen Familie, machte sich dann am Montag auf den Heimweg und war, wie wir am Mittwoch nach dem Marathonwochenende beim Rudern auf unseren Heimatgewässern feststellen durften, auch munter in Berlin angekommen.
Wir schmieden nun schon Pläne für das kommende Jahr. Mehr Astor*innen, mehr Schlaf, weniger Regen und weniger Zeit für die Strecke – und ganz im Ernst? Trotz der Frage nach dem Warum, die wir uns zwischendurch viel zu oft gestellt hatten, freue ich mich jetzt schon auf den nächsten Rheinmarathon.